Maximal dynamisch, maximal abhängig von der Innovationslust der Techies

Die Zukunft von Social Media erscheint wie eine faszinierende Wundertüte, da Studien begrenzt sind und historische Nutzungsdaten in Deutschland fehlen. Global stieg die durchschnittliche Nutzungsdauer von Social Media von 2018 (2,22 Stunden) bis 2022 (2,31 Stunden) um 4%, wobei der deutsche Wert 2022 mit 1,41 Stunden deutlich niedriger liegt, aber eine vergleichbare Steigerung vermuten lässt42.

Bewegte Bilder werden auf allen Plattformen unverzichtbar

… wie der enorme Nutzerzuwachs bei TikTok zeigt (+110,4% 2023 im Vergleich zu 2021)15,43. YouTube und TikTok als führende Bewegtbild-Plattformen verzeichnen die längsten Nutzungszeiten (globale Bevölkerung 16-64 Jahre: TikTok 23,5h/Monat vs. YouTube 23,1h/Monat vs. Instagram 12h/Monat)42. Im Jahr 2029 wird der Konsum von Videos gegenüber Texten sehr deutlich zugenommen haben, vor allem auch bei Wissensthemen. Aktuell nutzen 38% der 16-69-Jährigen Social Media als Nachrichtenquelle42. Kurzclips à la TikTok mit News und Infotainment aus verschiedenen Themenfeldern, kuratiert von Journalist*innen, werden zum Standard.

Betrachten wir das „Big Picture“ der Social Apps

… wird deutlich, dass die etablierten Netzwerke Instagram und Facebook nach wie vor die Tagesreichweiten dominieren. Doch insbesondere bei Letzterem zeichnet sich eine abnehmende Relevanz bei den unter 30-Jährigen deutlich ab. Die klaren Gewinner in dieser Altersgruppe sind Snapchat und TikTok (siehe Grafik)9. Die Frage nach der Existenz von Facebook im Jahr 2029 drängt sich daher auf – vermutlich wird es weiterhin bestehen, getragen von seiner Bedeutung für ältere Zielgruppen. Dennoch dürfte sein Schicksal auf längere Sicht besiegelt sein, sollte es nicht tiefgreifende Veränderungen durchlaufen. Soziale Medien durchleben zyklische Phasen: Einführung, Wachstum, Hype, Reife und schließlich schrittweises Verlassen44. Aktuellen Zahlen zufolge befindet sich Facebook in einer fortgeschrittenen Reifephase, was sich in einer aktuellen Tagesreichweite von 20% widerspiegelt9.

Top 5 Tägliche Nutzung von Social Media gesamt in %, 2021 bis 2023)

Quelle: ARD-/ZDF-Onlinestudie 2023

Top 5 Tägliche Nutzung von Social Media 14 bis 29 Jahre in %, 2021 bis 2023)

Quelle: ARD-/ZDF-Onlinestudie 2023

Der Untergang der Sozialen Giganten und Aufstieg der spezialisierten Plattformen?

In manchen Zukunftsszenarien wird der Niedergang der großen Sozialen Netzwerke gezeichnet, während zahlreiche kleinere Plattformen an ihre Stelle treten, sich auf spezifische Themen, Interessen und Zielgruppen fokussieren und größtenteils unabhängig von zentralen Unternehmen agieren sollen45. Diese Dezentralisierung findet bereits heute in Plattformen wie Mastodon (Launch 2016) ihre Vorwegnahme. Diese Alternative zu Twitter basiert nicht auf einer zentralen Plattform, sondern wird durch Server verschiedener Instanzen betrieben. Für Vermarkter stellt dies bisher keine attraktive Perspektive dar, da jeder Server eigenständig über Inhalte entscheidet und ohne ein durchdachtes Werbesystem, das offensichtlich auch nicht angestrebt wird, Skalierungs- und Targetingmöglichkeiten ohnehin begrenzt wären.

Die vorhandenen Plattformen erfüllen bereits vielfältige Bedürfnisse, und ein Trend zur Diversität ist offensichtlich46. Bis 2029 werden zweifellos neue Innovationstreiber den Markt betreten, von denen einige spezielle Nischeninteressen bedienen werden, ähnlich wie es bereits bei Twitch der Fall ist47. Als Gegenbewegung zu den sozialen Massennetzwerken, bei denen der Fokus zunehmend auf dem Konsum von Inhalten anstelle von sozialer Interaktion liegt, werden Apps entstehen, die persönliche Verbindungen und private Kommunikation mit einem Zweck in den Mittelpunkt stellen44. Eine solche App könnte beispielsweise den Austausch in themenbasierten Communities fördern, in denen auch politische Aktivitäten geplant oder Crowdfunding betrieben werden könnten. Der allgemeine Trend zu geschützteren Räumen und direktem, ungeschöntem Austausch manifestiert sich bereits in Apps wie „BeReal“.

Wir stehen vor äußerst dynamischen Zeiten

Das Universum der sozialen Medien wird eine Vielzahl von neuen Apps hervorbringen. Bedeutet dies das Ende für die Branchenriesen Instagram, TikTok und Co.? Nicht wirklich! Obwohl zahlreiche soziale Plattformen um die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen konkurrieren werden und nicht jeder von ihnen jede App nutzen wird (aktuell nutzen die Deutschen im Durchschnitt 5 Apps)42, bleibt der Antrieb, eine bestimmte Social App zu nutzen, stark von Trends und dem Herdentrieb als Teil des Sozialverhaltens geprägt. Apps mit hoher Reichweite werden daher neben einigen Nischen-Netzwerken weiterhin erfolgreich bestehen bleiben.

Das Konzept Seamless-Experience als Erfolgsfaktor der etablierten Netzwerke

Die Branchenriesen bleiben auch nicht zuletzt deshalb weiterhin erfolgreich, weil sie stets die Funktionen von Innovationstreibern und anderen bestehenden Apps adaptieren werden47. Durch diese Strategie bieten sie eine umfassende Palette an Funktionen, die von den Nutzer*Innen geschätzt wird. Um dem Erfolg von TikTok zu begegnen, führte Instagram beispielsweise 2020 die Funktion „Reels“ ein, wodurch die bildbasierte App um Kurzvideos erweitert wurde. Im Jahr 2023 folgte die Einführung von „Threads“ (Europastart im Dezember 2023) – ein Instagram-Ableger, der auf textbasierten Inhalten ähnlich wie Twitter, nun als X bezeichnet, basiert. In den Vereinigten Staaten erreichte die App bereits in den ersten 5 Tagen 100 Millionen Nutzer*innen48.

Seamless experience – eine nahtlose Erfahrung

Elon Musk persönlich strebt mit „X“ die Schaffung einer Plattform an, die eine „seamless experience“ perfektioniert und in der Zukunft sämtliche Funktionen sozialer Apps vereint49. Gleichzeitig arbeitet Meta an der Einführung von „Meta-Pay“, um Zahlungen, Einkäufe und Spenden innerhalb der Apps zu ermöglichen50. Bis 2029 wird es zur Normalität gehören, auf einem Social-Shopping-Kanal mit Influencern unkompliziert und direkt einzukaufen, als befände man sich auf einer herkömmlichen Shopping-Webseite. Diese Art des Einkaufens wird durch den Trend beflügelt, dass die Recherche von Marken und Produkten vermehrt von traditionellen Suchmaschinen zu Social Media verlagert wird.

Werbewirkung in verschiedenen Sozialen Medien in 2021 (Zustimmung in %)

Quelle: IFH Media Analytics, Studie „The Future of Media“, 2021

Social Media als herausragender Absatzkanal und KI-Avatare als Markenbotschafter

Grundsätzlich wird Social Media für Marken nicht nur eine enorme Wirkung in Bezug auf Aufmerksamkeit und Markeninteraktion haben, sondern auch mehr denn je als Absatzkanal einen entscheidenden Beitrag im Marketing leisten. Bereits heute geben 40% der Instagram-Nutzer*innen an, dass Werbung sie dazu verleitet hat, entsprechende Websites zu besuchen51. TikTok erweist sich ebenfalls als besonders wirkungsvoll, da 21% nach Werbekontakt bereits einen Kauf getätigt haben, was abermals die besondere Wirkung von bewegten Bildern betont51.

In diesem Kontext werden Influencer*innen eine noch wichtigere Rolle einnehmen, da positive Bewertungen im Kaufprozess entscheidend sind. Bereits 38% der Nutzer haben nach Empfehlungen ein Produkt erworben51. Die Glaubwürdigkeit wird zum zentralen Schlüssel im Influencermarketing, weshalb Micro-Influencer*innen an Popularität gewinnen und kostengünstige Kooperationsmöglichkeiten für Marken mit Nischeninteressen bieten werden.

Es gibt weltweit bereits 200 KI-Influencer:innen

…vorwiegend in den USA und Asien, die mehr Kontrolle über die Kommunikation für Marketing-Zwecke bieten52. Während menschliche Influencer*innen das Bedürfnis nach authentischem Content und emotionaler Verbindung erfüllen, können KI-Avatare co-existieren, und zwar immer dann, wenn Marken sachliche Informationen aus ihrer Perspektive vermitteln wollen. Sie werden in verschiedenen sozialen Plattformen auftauchen, selbst dort, wo persönliche, menschliche Kommunikation stark im Fokus steht. Sie fungieren als verlängertes E-Mail-Marketing oder Pressemitteilungen sowie Nutzungs- und Produktanwendungen oder als Chatbot zur Hilfestellung bei Kundenanfragen. Auch im Metaverse werden Meta-Influencer*innen Präsenz zeigen, obwohl dieses auch im Jahr 2029 eine kleine Nische bedienen wird, anstatt Massenreichweite zu erzeugen.

Den Anfang des Papers schon vergessen?
Macht nichts! Hier die drei wichtigsten Social Media Insights:

01

Die Nutzungsdauer, insbesondere auf Bewegtbild-Plattformen, erfährt einen anhaltenden Anstieg. Instagram und Facebook dominieren weiterhin die Tagesreichweiten, doch die Relevanz von Facebook bei den unter 30-Jährigen schwindet. Soziale Medien durchlaufen zyklische Entwicklungsstufen, die letztlich zu einem möglichen Niedergang führen können.

02

Die Zukunft sieht einen Zuwachs an Nischen-Apps vor, die verstärkt auf direkte, soziale Interaktion abzielen. Die Branchenriesen werden aber weiterhin Massen anziehen, indem sie innovative Funktionen kopieren und als Allrounder-Apps relevant bleiben.

03

Marken werden Social Media verstärkt als direkten Absatzkanal nutzen, dank integrierter Shopping-Möglichkeiten und Zahlungsfunktionen. Eine neue Ära der Influencer*innen beginnt mit KI-Avataren, die Markenbotschaften auf innovative Weise vermitteln.

Neben den Social Media Insights gibt es hier noch weitere spannende Prognosen:

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Ein digitaler Wirbelsturm fegt durch festgelegte Strukturen und verändert sie grundlegend

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